Sitzung: 17.03.2021 Gemeinderat Berge
Beschluss: mehrheitlich beschlossen
Abstimmung: Ja: 12, Nein: 1, Enthaltung: 1
Vorlage: BER/006/2021
Der Rat beschließt
mehrheitlich (12 Ja-Stimmen, 1 Nein-Stimme, 1 Enthaltung):
Der Rat der Gemeinde Berge beschließt für die
im Vorentwurf (Lageplan) dargestellten Flächen gemäß § 35 Absatz 6
Baugesetzbuch (BauGB) die Außenbereichssatzung „Grafeld – Orthauser Straße“ in
Berge, Gemeindeteil Grafeld aufzustellen.
Das Gebiet an der
„Orthauser Straße“ in Berge, Gemeindeteil Grafeld weist die Besonderheit einer
so genannten „Splittersiedlung“ auf. Da kein Bebauungsplan besteht, war bei
vorangegangenen (Wohn-)Bauantragsverfahren bauplanungsrechtlich von Bedeutung,
ob dieses Gebiet rechtlich als Außenbereich (§ 35 BauGB) oder als im Zusammenhang
bebauter Ortsteil (§ 34 BauGB) zu bewerten ist.
Im Bereich des §
35 BauGB sind nur privilegierte Bauvorhaben zulässig, was in der Regel nur
landwirtschaftliche Bauvorhaben beinhaltet. Nach § 34 BauGB sind innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile
Vorhaben zulässig, wenn sie sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der
Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart
der näheren Umgebung einfügen und die Erschließung gesichert ist. Die
Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben;
das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
In diesem Bereich
ist jedoch die besondere Lage und Unterschiedlichkeit der Bebauung zu
berücksichtigen. Hierbei handelt es sich um eine gewachsene Ansiedlung von
landwirtschaftlichen Betrieben und Wohnhäusern, die in den Jahren umgebaut,
erneuert, erweitert oder ergänzt worden sind. Durch eben diese lückenlose und
eingeteilte „Vermischung“ der einzelnen Einheiten entsteht der Eindruck, dass
es sich hier um einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil handelt. Die Gemeinde
Berge mit Ratsbeschluss vom 15.05.2012 auch eindeutig zum Ausdruck gebracht,
dass es sich nach hiesiger Auffassung um einen im Zusammenhang bebauten
Ortsteil nach § 34 BauGB handelt.
Die Situation der ansässigen
landwirtschaftlichen Betriebe ist dergestalt, dass nur noch ein
landwirtschaftlicher Betrieb wirtschaftlich aktiv ist und Tiere hält. Weitere
Betriebe und deren Stallungen waren zunächst verpachtet und sind im Rahmen der
Bauleitplanung zum Bebauungsplan Grafeld Nr. 6 „Erweiterung Baugebiet
Holthöchte (Plaggenesch)“ aufgegeben worden bzw. haben ihre Betriebsaufgabe
gegenüber dem Landkreis Osnabrück erklärt, so Bürgermeister Brandt.
Allerdings gibt es
nunmehr nach Auffassung des Landkreises Osnabrück (als Bauaufsichtsbehörde) für
den Bereich der „Orthauser Straße“ eine (baurechtlich) nachteilige Beurteilung.
Es wird der Standpunkt vertreten, dass es sich bei diesem Gebiet nicht um einen
im Zusammenhang bebauten Ortsteil handelt, sondern nach den derzeit rechtlichen
Bestimmungen um einen Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB, wobei demzufolge
nur privilegierte Bauvorhaben möglich sind.
Insgesamt bedürfen
die zukünftigen Entwicklungen einer planungsrechtlichen Sicherheit bzw. sollen
mit der Erstellung einer Außenbereichsatzung im planungs- und baurechtlichen
Aspekt zusammengefasst und strukturiert dargestellt werden. Hierbei werden dann
unbebaute Grundstücksflächen mit aufgenommen, die dann gegebenenfalls im Rahmen
einer zukünftigen Bebauung auch nutzbar gemacht werden können.
Für bebaute Bereiche (z. B. Splittersiedlungen) im Außenbereich, die
nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine
Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, kann die Gemeinde gemäß § 35 Absatz
6 BauGB bestimmen, dass Wohnzwecken dienende Vorhaben (innerhalb der Siedlung)
unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind. Der Gesetzestext hierzu lautet
wie folgt:
Die Gemeinde kann
für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich
geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist,
durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des
Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im
Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen
oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen.
Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks-
und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die
Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung
ist, dass
- sie mit einer geordneten
städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
- die Zulässigkeit von Vorhaben, die
einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach
Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach
Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
- keine Anhaltspunkte für eine
Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nr. 7 Buchstabe b genannten
Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur
Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach §
50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die
Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz
1 Nr. 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend.
Dem Grunde nach, so Bürgermeister Brandt,
ist es bedauerlich, dass für die weitere Antragstellung nunmehr diese
Außenbereichssatzung aufgestellt werden muss. Im Rahmen der Vorgespräche mit
dem Landkreis Osnabrück als Bauaufsichtsbehörde wurde mitgeteilt, dass die
vorhandenen Bestandsgebäude (Schweinestall) zur Wohnnutzung umgebaut werden
können, das Erscheinungsbild dem Grunde nach allerdings nicht verändert werden
dürfe.
Während Satzungen gemäß § 34 Absatz 4 BauGB
Baurechte im Sinne des § 34 Absatz 1 BauGB begründen bzw. klarstellen,
begünstigt die Satzung nach § 35 Absatz 6 BauGB lediglich Vorhaben, die
weiterhin nach § 35 Absatz 2 zu beurteilen sind. Damit ändert die Satzung
nichts an der Zuordnung zum Außenbereich, sondern modifiziert lediglich die
Zulässigkeitsvoraussetzungen „sonstiger“ Vorhaben. Die Außenbereichsatzung
schafft in der Form kein Baurecht, sondern entschärft die Tatbestände einer
Splittersiedlung bzw. das diese verfestigt wird, so Bürgermeister Brandt.
Ratsherr Gappel äußert sein Unverständnis
darüber, dass zwar ein Schweinestallgebäude umgebaut werden kann, dieses
allerdings nicht abgerissen und am selbigen Standort beispielsweise ein
Wohngebäude errichtet wird. Es wäre doch förderlich, wenn man dem
Grundstückseigentümer hier auch gesetzlich entgegenkommen würde.
Beigeordneter Hömme kann die Argumentationen
nicht teilen und ergänzt, dass diese Außenbereichssatzung nicht dem
Allgemeinwohl diene, sondern eher dem Einzelfall zugutekommt. Wenn man bereits
die baurechtlichen Möglichkeiten (Altenteiler, Ersatzbau etc.) genutzt habe, so
seien diese eben ausgeschöpft. Für die Aufstellung gäbe es keinen erkennbaren
Handlungsbedarf. Ferner komme die Gemeinde Berge auch für die Kosten von ca. 6.500
€ auf, wobei keine Erstattung erfolge und man diese Mittel auch besser zweckentsprechend
anderweitig nutzen könnte.
Ein Einwohner bittet um Mitteilung, ob die
Außenbereichsatzung durch den Landkreis Osnabrück aufgestellt oder ob diese
Außenbereichssatzung eingefordert hätte. Bürgermeister Brandt teilt mit, dass
die Beschlussfassung zur Außenbereichsatzung nur der Gemeinde Berge im Rahmen
der Planungshoheit obliege.